Wenn Sie ein Gebäude sanieren, wissen Sie genau, wie viel Sie ausgeben wollen. Doch sobald die ersten Wände aufgebrochen sind, tauchen unerwartete Schäden auf: faulige Balken, schadhafte Dämmung, veraltete Rohre - und plötzlich ist Ihr Budget im Argen. Nachträge sind in der Sanierungsphase keine Ausnahme, sondern die Regel. Bis zu 30 % der ursprünglich geplanten Kosten können durch sie entstehen, wie Studien des Fraunhofer IBP zeigen. Doch das muss nicht sein. Mit der richtigen Methode können Sie Nachträge erkennen, kontrollieren und sogar verhindern.
Warum Nachträge so häufig und teuer sind
Nachträge entstehen nicht, weil Handwerker schlecht arbeiten. Sie entstehen, weil Altbauten ihre Geheimnisse nicht leicht preisgeben. Ein Haus aus den 1950er Jahren mag auf den ersten Blick in Ordnung wirken. Doch hinter der Tapete kann eine Holzkonstruktion verrotten, die seit 70 Jahren nicht mehr geprüft wurde. Ein neues Fenster setzt eine neue Dämmung voraus - und plötzlich muss die ganze Außenwand erneuert werden. Das ist kein Fehler, das ist Realität. Prof. Dr. Stefan Rodehau von der Universität Stuttgart sagt es klar: Bei historischen Gebäuden können unerwartete Bauschäden bis zu 35 % der Gesamtkosten ausmachen. Und das Problem? Die meisten Bauherren planen gar nicht mit solchen Überraschungen. Sie setzen auf eine feste Summe - und wenn die nicht reicht, ist der Schock groß. Doch es gibt einen Unterschied zwischen unvermeidbaren Überraschungen und vermeidbaren Kostenfallen. Ein Großteil der Nachträge kommt nicht von versteckten Schäden, sondern von unklaren Absprachen. Mündliche Zusagen zwischen Bauherr und Handwerker, die nicht dokumentiert werden, führen zu Streit. Ein Wunsch nach einem anderen Fenstertyp, der nicht schriftlich festgehalten ist, wird später zur Kostenfalle. Die Deutsche Energieagentur (Dena) hat berechnet: Ohne dokumentierte Änderungen steigen die Gesamtkosten um durchschnittlich 19,3 %.Wie Sie Nachträge früh erkennen
Früh erkennen heißt: nicht warten, bis die Rechnung kommt. Es geht darum, schon vor dem ersten Bohrer zu planen. Beginnen Sie mit einer Risikoanalyse. Fragt sich: Was könnte schiefgehen? Nicht nur „Was könnte kaputt sein?“, sondern auch: „Was könnte der Handwerker anders machen, wenn er nicht genau weiß, was ich will?“ Nutzen Sie dafür die Bauelementmethode nach DIN 276. Sie teilt das Projekt in einzelne Bauteile auf - Dach, Außenwand, Fenster, Fußboden - und schätzt die Kosten dafür. In der Planungsphase ist die Genauigkeit noch bei ±15 bis 20 %. Aber das reicht, um ein Pufferbudget zu berechnen. Experten empfehlen mindestens 10-15 % des Gesamtbudgets als Puffer. Eine Umfrage von Schwaebisch Hall aus 2025 zeigt: 78,3 % der professionellen Sanierer machen das. Dann kommt die Dokumentation. Jede Änderung, egal wie klein, muss schriftlich festgehalten werden. Nicht per WhatsApp, nicht per Telefon, sondern in einem Änderungsprotokoll. Was wurde geändert? Warum? Welche Kosten entstehen dadurch? Wer hat das genehmigt? Das ist kein bürokratischer Aufwand - das ist Versicherung. Ein Architekt aus Berlin hat das vor einem Jahr bei einer Dachsanierung umgesetzt. ursprünglich geplant: 120.000 €. Durch Änderungswünsche des Bauherrn - wie andere Dachziegel und eine andere Dachrinne - entstanden Nachträge von 38.500 €. Durch strukturiertes Change Management wurden diese auf 8.200 € reduziert. Warum? Weil jede Änderung vorab mit Kosten und Auswirkung berechnet und schriftlich genehmigt wurde. Der Bauherr wusste genau, was er bezahlt.Die richtigen Werkzeuge für die Kostenkontrolle
Excel ist kein Werkzeug für Sanierungsprojekte. Es ist ein Risiko. Eine Studie des Fraunhofer IBP aus 2023 zeigt: Projekte mit Excel-basierter Kostenplanung haben durchschnittlich 27,4 % höhere Nachtragskosten als solche mit professionellen Controlling-Tools. Warum? Weil Excel keine Verknüpfungen kennt. Wenn sich die Menge eines Bauteils ändert, muss der Nutzer alle Zahlen manuell anpassen. Und wer macht das fehlerfrei? Besser: Nutzen Sie Software, die mit der Leistungspositionsmethode arbeitet. Diese Methode, die ab Leistungsphase 6 (LPH 6) angewendet wird, erreicht eine Genauigkeit von ±5 bis 10 %. Sie ist präziser als die Bauelementmethode - aber auch aufwändiger. Sie braucht detaillierte Pläne, die erst später im Projekt vorliegen. Noch besser: BIM-Software. Building Information Modeling verknüpft die 3D-Modelle mit Kosten- und Zeitdaten. Ein Klick auf das Fenster im Modell zeigt: Kosten, Lieferzeit, Dämmwert, Montageaufwand. Die Fehlerquote sinkt auf unter 3 %. Doch Vorsicht: Die Einarbeitung dauert 40-60 Stunden pro Projektbeteiligtem. Das lohnt sich nur bei größeren Projekten. Für viele Bauherren ist die MODER-Software des Fraunhofer IBP die beste Wahl. Sie ist kostenlos, einfach zu bedienen und zeigt nicht nur Kosten, sondern auch Energieeinsparungen vor und nach der Sanierung. Seit März 2025 hat sie ein neues Modul: maschinelles Lernen erkennt Muster aus früheren Projekten und warnt vor potenziellen Nachträgen - mit 83,7 % Vorhersagegenauigkeit.
Wie Sie das Budget im Auge behalten
Kostenkontrolle ist kein Einmal-Event. Es ist eine Routine. Wöchentliche Budget-Reviews sind der Schlüssel. Die IHK-Studie von 2024 zeigt: Sanierungsprojekte mit wöchentlichen Kontrollen haben eine 28,4 % geringere Wahrscheinlichkeit, das Budget zu sprengen. Wie machen Sie das? 1. Sammeln Sie alle Rechnungen und Änderungswünsche. 2. Vergleichen Sie sie mit dem ursprünglichen Plan. 3. Berechnen Sie: Wie viel ist bereits ausgegeben? Wie viel ist noch geplant? 4. Nutzen Sie die Earned Value Analyse (EVA). Sie sagt Ihnen nicht nur, wo Sie stehen - sie sagt, wie es am Ende ausgeht. Mit vier Anwendungen während des Projekts erreicht sie eine Vorhersagegenauigkeit von 85-90 %. Und wenn das Budget überschritten wird? Dann prüfen Sie: Ist es ein notwendiger Nachtrag? Oder ein unnötiger Wunsch? Manchmal reicht es, auf eine billigere Variante umzusteigen. Ein anderes Dachmaterial. Ein anderes Fenster. Ein anderes Dämmmaterial. Die Kosten können sich um 20 % unterscheiden - ohne Qualitätseinbußen.Was Sie unbedingt vermeiden müssen
Es gibt drei große Fehler, die fast jeder macht - und die teuer werden. Fehler 1: Mündliche Absprachen - „Ja, das machen wir.“ - „Ja, klar.“ - „Kannst du das noch machen?“ - Das ist der Hauptgrund für Streit. 29,4 % aller Nachtragsstreitigkeiten entstehen durch fehlende Dokumentation. Alles schriftlich. Punkt. Fehler 2: Kein Pufferbudget - Wer 100.000 € hat und 100.000 € plant, hat kein Budget. Er hat eine Hoffnung. 10-15 % Puffer sind nicht „ein bisschen mehr Geld“. Das ist Versicherung gegen Realität. Fehler 3: Keine klaren Verantwortlichkeiten - Wer entscheidet über Änderungen? Der Bauherr? Der Architekt? Der Handwerker? In 38,7 % der Fälle ist das unklar. Das führt zu Verzögerungen, doppelten Arbeiten und unnötigen Kosten. Legen Sie von Anfang an fest: Wer genehmigt was? Wer zahlt was? Wer dokumentiert was?
Kaia Scheirman
Dez 31, 2025 AT 08:57Ich hab letztes Jahr meine Altbauwohnung saniert und dachte, ich bin gut vorbereitet. Dann kam die Wand hinter der Tapete – komplett verfault. Kein Wunder, dass 30 % Nachträge normal sind. Aber der Puffer von 15 % hat mich gerettet. Ohne den wäre ich pleite gewesen.