Bewertung landwirtschaftlicher Grundstücke: So beeinflussen Pacht, Bodenqualität und Baurecht den Wert

Ein landwirtschaftliches Grundstück ist kein gewöhnliches Immobilienobjekt. Es ist kein Haus mit Garten, das man einfach mit Blick auf die Lage und die Zimmeranzahl bewertet. Es ist ein Stück Land, das über Jahrzehnte hinweg Erträge bringt - oder eben nicht. Wer ein solches Grundstück kauft, verkaufen oder vererben will, muss verstehen, was seinen Wert wirklich ausmacht. Und das sind nicht nur die drei großen Faktoren: Pacht, Bodenqualität und Baurecht.

Wie die Bodenqualität den Wert bestimmt - und warum die Ackerzahl entscheidend ist

Die Bodenqualität ist der Kern jeder landwirtschaftlichen Bewertung. In Deutschland wird sie nicht nach Augenschein oder subjektiver Einschätzung gemessen, sondern mit einer genauen Zahl: der Ackerzahl. Sie reicht von 7 bis 100 und sagt genau, wie viel Ertrag eine Fläche unter normalen Bedingungen liefern kann. Ein Wert unter 40 gilt als schlecht, zwischen 40 und 60 als gut, über 60 als sehr gut. In Regionen wie der Norddeutschen Tiefebene oder dem Münsterland finden sich Flächen mit Ackerzahlen von 80 und mehr. Solche Flächen sind begehrt - und teuer.

Doch hier liegt ein Problem: Viele Gutachterausschüsse unterscheiden nicht zwischen Ackerland und Grünland. Das ist ein großer Fehler. Ein Hektar Ackerland mit einer Ackerzahl von 70 ist wertvoller als ein Hektar Weide mit derselben Zahl. Die Ertragsfähigkeit ist anders, die Nutzung anders, die Nachfrage anders. Die offizielle Methode nach dem Bewertungsgesetz (BewG) berücksichtigt das zwar, aber in der Praxis werden die Daten oft ungenau erfasst. Einige Gemeinden geben nur einen Durchschnittswert für ganze Ortschaften aus - ohne zu prüfen, ob es sich um Acker, Wiese oder Moore handelt.

Die Bodenzahl, aus der die Ackerzahl abgeleitet wird, setzt sich aus drei Faktoren zusammen: Bodenart (z. B. Lehmboden, Sandboden), Zustand (Durchwurzelung, Humusgehalt) und Entstehung (natürlich oder künstlich verbessert). Eine Fläche mit guter Bodenzahl, aber schlechter Topografie (steil, steinig, schlecht erschlossen) verliert an Wert. Ein Hektar mit Ackerzahl 75, der aber nur mit schwerem Gerät zu bewirtschaften ist, ist weniger attraktiv als ein flacher Hektar mit Ackerzahl 70.

Pachtverhältnisse: Wer nutzt das Land - und wie beeinflusst das den Preis?

Ein Grundstück, das verpachtet ist, ist nicht gleich einem Grundstück, das der Eigentümer selbst bewirtschaftet. Ein langer, fester Pachtvertrag mit einem seriösen Landwirt kann den Wert steigern - oder senken. Warum? Weil der Käufer nicht einfach losziehen und das Land umnutzen kann. Er muss den Pächter erst entlassen - und das kostet Geld, Zeit und Rechtskraft.

Ein Pachtvertrag mit einer Laufzeit von 15 Jahren und einer niedrigen Pacht von 200 Euro pro Hektar ist für einen Investor kaum attraktiv. Der Ertrag ist gering, und er kann nicht auf steigende Marktpreise reagieren. Ein Pachtvertrag mit 600 Euro pro Hektar und einer Laufzeit von drei Jahren hingegen ist ein echter Pluspunkt. Der Käufer kann nach Ablauf den Pachtzins an den aktuellen Markt anpassen. Das ist ein klarer Vorteil.

Die Bewertungsmethode nach dem BewG rechnet den Pachtzins als Einkommen ein und zieht davon Kosten für Bewirtschaftung, Maschinen und Arbeitskräfte ab. Der Rest ist der Reinertrag. Doch in der Realität werden Pachtverträge oft nicht richtig dokumentiert. Ein Gutachter, der den Vertrag nicht einsehen kann, muss schätzen - und das führt zu Fehlern. In einigen Fällen wurde der Wert eines Grundstücks um 30 Prozent unterschätzt, weil der Pachtzins zu niedrig angesetzt wurde.

Ein weiterer Punkt: Pachtverträge, die vor 1970 abgeschlossen wurden, unterliegen anderen Regeln. Sie sind oft günstiger und längerfristig. Das kann den Verkehrswert drücken, weil der neue Eigentümer nicht sofort profitieren kann. Wer ein solches Grundstück kauft, muss wissen: Er kauft nicht nur Land, sondern auch einen Vertrag, der ihn bindet.

Farmer and buyer exchanging keys beside contrasting lease agreements for agricultural land.

Baurecht: Wie viel Entwicklungspotenzial hat das Grundstück?

Landwirtschaftliche Flächen werden immer häufiger nicht mehr nur für Ackerbau oder Viehzucht genutzt. Sie werden zu Solarparks, Biogasanlagen oder Bauerwartungsland. Das ändert alles. Ein Grundstück mit Ackerzahl 50, das in einem Gebiet liegt, das bald als Bauland ausgewiesen werden könnte, ist plötzlich viel wertvoller als ein gleiches Grundstück in einer Region ohne Entwicklungsperspektive.

Das Residualwertverfahren - eine alternative Bewertungsmethode - rechnet genau das aus: Wie viel wäre das Grundstück wert, wenn man es als Bauland nutzen könnte? Dazu zieht man die Kosten für Erschließung, Baugenehmigung und Infrastruktur vom potenziellen Verkaufserlös ab. Der Rest ist der Bodenwert. In einigen Gemeinden in Bayern oder Niedersachsen wurde der Wert eines landwirtschaftlichen Grundstücks durch die Aussicht auf Baurecht um das Drei- bis Vierfache gesteigert.

Aber: Das Baurecht ist nicht einfach so zu bekommen. Es muss in den Flächennutzungsplan aufgenommen werden - und das dauert Jahre. Ein Grundstück, das heute als Ackerland gilt, könnte in zehn Jahren Bauland sein. Oder nie. Die Unsicherheit macht die Bewertung schwierig. Die offizielle Methode nach dem BewG ignoriert dieses Potenzial weitgehend. Sie bewertet das Land nur nach seiner aktuellen landwirtschaftlichen Nutzung. Das ist rechtssicher - aber nicht marktnah.

Ein Gutachter, der nur auf die Ackerzahl schaut, übersieht einen entscheidenden Teil des Wertes. Wer ein Grundstück bewertet, muss fragen: Ist hier eine Solaranlage möglich? Steht ein Bebauungsplan an? Ist das Grundstück Teil eines Windkraftprojekts? Diese Faktoren zählen - und sie werden oft unterschätzt.

Die offizielle Methode vs. der Markt: Warum die Zahlen nicht immer stimmen

Die Bundesregierung hat 2022 das Bewertungsgesetz novelliert, um die Bewertung von landwirtschaftlichen Flächen genauer zu machen. Die neue Methode ist standardisiert, verbindlich für Steuerzwecke und transparent - zumindest auf dem Papier. Doch in der Praxis hinkt sie dem Markt hinterher.

Der durchschnittliche Kaufpreis für landwirtschaftliche Flächen in Deutschland ist seit 2010 von 11.800 Euro pro Hektar auf über 29.500 Euro gestiegen - ein Anstieg von 150 Prozent. Doch die Bodenrichtwerte, die die Gutachterausschüsse alle zwei Jahre veröffentlichen, sind oft Jahre hinterher. In einigen Regionen liegt der offizielle Wert noch bei 18.000 Euro pro Hektar, während der tatsächliche Kaufpreis schon 35.000 Euro beträgt.

Warum? Weil die Bodenrichtwerte auf alten Verkaufsdaten basieren - und nicht auf der aktuellen Nachfrage. Wer eine Fläche mit Ackerzahl 80 in der Lüneburger Heide kauft, zahlt nicht den Wert, der in der offiziellen Tabelle steht. Er zahlt, was der Markt hergibt: oft das Doppelte. Das ist kein Fehler der Käufer. Das ist ein Systemfehler.

Ein weiteres Problem: Die Bodenrichtwertgrundstücke, die als Referenz dienen sollen, werden oft nicht richtig dokumentiert. Wer kann denn sagen, ob ein Grundstück mit einem Bodenrichtwert von 25.000 Euro pro Hektar wirklich eine Ackerzahl von 75 hat? Oder ob es nur eine Grünlandfläche ist? Ohne klare Daten ist die Bewertung nur eine Schätzung - und das macht sie anfällig für Manipulationen.

Agricultural plot with transparent overlays showing potential solar, wind, and construction uses.

Was kostet eine richtige Bewertung - und wie lange dauert sie?

Eine professionelle Bewertung eines landwirtschaftlichen Grundstücks kostet zwischen 500 und 2.500 Euro. Die Spanne ist groß, weil es auf die Größe, die Lage und die Komplexität ankommt. Ein einfaches 10-Hektar-Ackerfeld mit klarem Pachtvertrag und gut dokumentierter Bodenqualität kostet wenig. Ein 50-Hektar-Grundstück mit gemischter Nutzung, unklarem Baurecht und mehreren Pachtverträgen kostet deutlich mehr.

Die Dauer liegt zwischen vier und sechs Wochen. Das liegt nicht an der Bürokratie - sondern an der Datenlage. Gutachter müssen die Bodenrichtwerte der Gemeinde abfragen, die Ackerzahl prüfen, den Pachtvertrag einsehen, die Topografie kartieren und prüfen, ob ein Bebauungsplan vorliegt. In vielen Fällen fehlen Dokumente. Dann muss der Gutachter nachforschen - und das dauert.

Einige Landwirte berichten, dass sie in benachbarten Gemeinden für dieselbe Fläche unterschiedliche Bewertungen erhalten haben. Das ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis unterschiedlicher Interpretationen, unvollständiger Daten und fehlender Standardisierung. Wer ein Grundstück verkaufen will, sollte nicht auf den offiziellen Bodenrichtwert vertrauen. Er sollte einen unabhängigen Gutachter beauftragen - und zwar einen, der auch die Marktdaten kennt, nicht nur die Gesetze.

Was kommt als Nächstes? Digitale Bodenregister und Klimafaktoren

Die Bundesregierung plant bis 2026 ein digitales Bodenwertregister. Es soll alle landwirtschaftlichen Flächen bundesweit mit ihren genauen Ackerzahlen, Bodenarten, Pachtverhältnissen und Baurechtsstatus erfassen. Das ist ein großer Schritt. Bislang ist die Datenlage fragmentiert - und das führt zu Ungerechtigkeiten.

Auch der Klimawandel wird immer wichtiger. Ein Boden, der heute noch eine Ackerzahl von 70 hat, könnte in zehn Jahren durch Trockenheit oder Überschwemmungen abgebaut sein. Die aktuelle Methode berücksichtigt das nicht. Experten warnen: Wer heute ein Grundstück mit hoher Ackerzahl kauft, könnte in 15 Jahren ein verlustbringendes Objekt haben - wenn die Bodenqualität nicht mehr stimmt.

Die Fachhochschule Hohenheim prognostiziert, dass die Preise bis 2025 um weitere 20 bis 25 Prozent steigen werden - besonders in Regionen mit hoher Ackerzahl. Wer jetzt kauft, muss langfristig denken. Nicht nur auf den aktuellen Preis achten, sondern auf die Zukunft des Bodens.

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Felicitas Call

Felicitas Call

Ich bin Tischlerin in Graz und spezialisiere mich auf maßgefertigte Innenausbauten. Ich plane und fertige Möbel sowie Einbauten für Altbau- und Neubauprojekte. In meiner Freizeit schreibe ich Fachbeiträge zu Immobilientrends, Sanierung und nachhaltigen Materialien. Ich verbinde Handwerk, Design und Praxiswissen für Wohn- und Gewerbeobjekte.