Grenzen der DIY-Elektrik und -Sanitär: Was in Deutschland erlaubt ist

Stell dir vor: Du willst eine neue Steckdose in der Küche einbauen, weil die alte seit Jahren nur noch sporadisch funktioniert. Du bist handwerklich begabt, hast schon Regale aufgehängt, die Toilette ausgetauscht - warum also nicht auch die Elektrik? Du schaltest den Strom ab, nimmst die alte Dose raus, ziehst die Kabel durch, schließt sie an - fertig. Nur: Das ist illegal. Und es könnte dein Leben kosten.

Was du wirklich selbst machen darfst

In Deutschland ist die Grenze zwischen erlaubter Eigenleistung und verbotener Elektroinstallation klar gezogen. Sie verläuft nicht an deinem Können, sondern an der Sicherheit. Die Rechtsgrundlage ist die Niederspannungsanschlussverordnung (NAV), die seit 2011 gilt und seitdem mehrfach verschärft wurde. Laut dieser Verordnung darfst du nur sehr begrenzte Arbeiten selbst durchführen.

  • Den Austausch von defekten Glühbirnen in Lampen, die bereits montiert sind
  • Den Wechsel von Sicherungen im Zählerschrank - aber nur, wenn du sicher weißt, welche Sicherung du wechselst (kein Ratespiel!)
  • Das Anschließen von Steckdosen-Geräten wie Staubsauger, Kaffeemaschine oder Fernseher - solange sie über einen normalen Stecker laufen
  • Das Stemmen von Schlitzen in Wänden für Leerrohre - aber nur, wenn ein Elektriker danach die Kabel einzieht und anschließt

Alles andere ist verboten. Selbst wenn du es perfekt machst. Selbst wenn du ein Video auf YouTube gesehen hast, das behauptet, es sei einfach. Selbst wenn dein Nachbar das auch gemacht hat.

Was du auf keinen Fall selbst machen darfst

Diese Arbeiten dürfen nur von zertifizierten Elektrofachkräften durchgeführt werden - und zwar ohne Ausnahme:

  • Den Einbau oder Austausch von Steckdosen, Schaltern oder Lichtschaltern
  • Das Verlegen von neuen Stromleitungen in Wänden, Decken oder Böden
  • Der Einbau von neuen Sicherungskästen oder der Austausch von Sicherungshalterungen
  • Das Anschließen von fest installierten Lampen, z. B. Deckenleuchten oder Spotlights
  • Arbeiten im Bad, besonders in der Nähe von Dusche oder Badewanne - hier gelten zusätzliche Schutzbereiche nach DIN VDE 0100-701, die seit Juni 2025 verbindlich sind
  • Die Installation von Smart-Home-Systemen wie intelligenten Schaltern, Dimmern oder Steckdosen mit WLAN-Funktion

Warum so streng? Weil elektrischer Strom nicht sieht, ob du ein Handwerker bist oder nur jemand, der gern bastelt. Ein falsch angeschlossener Neutralleiter, eine unzureichend dimensionierte Leitung, eine fehlende Erdung - das reicht, um einen Brand auszulösen. Laut dem Zentralverband der Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) wurden in 68 Prozent der Fälle, in denen Laien Elektroarbeiten durchführten, gravierende Sicherheitsmängel festgestellt. Das sind nicht nur kaputte Steckdosen - das sind Brandgefahren, die erst nach Stunden entdeckt werden.

Warum ist das so streng in Deutschland?

Vergleiche Deutschland mit den Niederlanden oder Österreich: Dort dürfen Laien unter bestimmten Bedingungen Steckdosen wechseln oder Leitungen verlegen - vorausgesetzt, sie nutzen spezielle, vorgefertigte Systeme. In Deutschland ist das nicht erlaubt. Die Begründung ist einfach: Sicherheit vor Schnelligkeit.

Die Statistik spricht für sich: Die Zahl der tödlichen Stromunfälle in Deutschland sank von 87 im Jahr 2010 auf 42 im Jahr 2022. In Ländern mit lockereren Regeln, wie Spanien, stieg sie im selben Zeitraum von 38 auf 51. Das ist kein Zufall. Die strengen Regeln schützen nicht nur dich - sie schützen auch deine Nachbarn, deine Familie, die Feuerwehr, die später den Brand löschen muss.

Und es geht nicht nur um Leben und Tod. Es geht auch um dein Geld. Wenn du eine Elektroinstallation selbst machst und es später zu einem Schaden kommt - sei es ein Brand, ein Kurzschluss oder ein Wasserschaden durch ein defektes Gerät - dann greift deine Wohngebäudeversicherung nicht. Die R+V Versicherung hat analysiert: 73 Prozent der Schadensfälle durch DIY-Elektrik werden nicht erstattet. Das bedeutet: Du zahlst selbst. Und das kann leicht mehrere tausend Euro kosten.

Fachmann installiert ein Licht über der Dusche, Amateur beobachtet von der Tür aus.

Sanitär: Weniger streng, aber immer noch Grenzen

Beim Sanitär ist es etwas anders. Hier darfst du mehr tun - aber auch hier gibt es klare Regeln. Du darfst:

  • Die Toilette austauschen - wenn du sie an die bestehende Abwasserleitung anschließt und keine neuen Leitungen verlegst
  • Waschbecken, Spüle oder Duschkopf wechseln - solange du keine Rohre in der Wand verlegst
  • Heizkörper abmontieren oder neu aufhängen - wenn du den Heizkreis nicht veränderst

Du darfst aber nicht:

  • Neue Abwasserleitungen verlegen - das erfordert eine fachgerechte Gefälleberechnung und ist zulassungspflichtig
  • Neue Wasserleitungen in Wänden oder Böden verlegen - das muss von einem Sanitärinstallateur gemacht werden
  • Die Heizungsanlage umstellen, z. B. einen neuen Warmwasserboiler anschließen - das ist ein Heizungsinstallateur-Gewerbe

Warum? Weil Wasser und Abwasser nicht nur Ärger machen, wenn sie lecken - sie können auch Schimmel, Feuchtigkeitsschäden und sogar Strukturbrüche in deinem Haus verursachen. Ein falsch verlegtes Abwasserrohr kann Monate später zu einem teuren Bodenaufbruch führen. Und die Versicherung zahlt auch hier nicht, wenn du selbst eingegriffen hast.

Was passiert, wenn du es trotzdem machst?

Niemand kommt zu dir nach Hause und kontrolliert, ob du eine Steckdose gewechselt hast. Aber: Wenn etwas schiefgeht - und das passiert häufiger, als du denkst - dann kommt die Kontrolle. Und zwar mit voller Wucht.

Netzbetreiber prüfen seit 2023 verstärkt Anlagen hinter der Hausanschlusssicherung. Im Jahr 2023 wurden 14.227 Verstöße gegen die NAV registriert - das sind fast 50 Prozent mehr als 2020. Die Bußgelder liegen bei bis zu 5.000 Euro pro Verstoß. Und das ist nur der Anfang.

Wenn du eine Elektroinstallation selbst gemacht hast und später ein Brand entsteht, dann wird die Feuerwehr, die Polizei und die Versicherung untersuchen - und sie werden herausfinden, wer die Leitungen verlegt hat. Dann wirst du nicht nur für den Schaden aufkommen müssen - du könntest auch strafrechtlich belangt werden, wenn jemand verletzt wurde.

Was ist mit Smart Home?

Ein großes Missverständnis: Viele denken, dass Smart-Home-Steckdosen oder intelligente Lichtschalter „einfach“ einzubauen sind. Das ist falsch. Selbst wenn die Steckdose „Plug & Play“ heißt - der Einbau in die Wand, die Verkabelung, der Anschluss an das Stromnetz - das alles ist verboten, wenn du kein Elektriker bist.

Die NAV sagt klar: Jede Veränderung an der festen Elektroinstallation, egal ob mit oder ohne WLAN, muss von einem Fachmann durchgeführt werden. Laut einer Bitkom-Studie aus September 2024 sind 62 Prozent der Verbraucher unsicher, was hier erlaubt ist. Das ist gefährlich. Ein intelligenter Lichtschalter, der falsch angeschlossen ist, kann nicht nur das Licht löschen - er kann auch die gesamte Stromleitung überlasten.

Linke Seite: Feuer durch falsche Elektrik. Rechte Seite: Elektriker prüft sicher die Installation.

Was tun, wenn du Hilfe brauchst?

Du willst etwas machen - aber du weißt nicht, ob du es selbst darfst? Dann frag vorher. Nicht nachher.

  • Gehe in einen Baumarkt wie HORNBACH oder OBEL - dort haben viele einen Elektroberater, der dir sagt, was erlaubt ist
  • Suche einen zertifizierten Elektrofachbetrieb in deiner Nähe - viele bieten kostenlose Erstberatungen an
  • Prüfe die Website der Bundesnetzagentur - dort findest du die offiziellen Informationen zur NAV
  • Starte die Initiative „Strom sicher“ der Bundesnetzagentur - sie hat kostenlose Videotutorials auf YouTube, die zeigen, was du wirklich darfst

Ein Elektriker kommt nicht immer sofort. In Graz, wo ich lebe, warten Hausbesitzer oft 5-7 Werktage auf einen Termin. Aber das ist besser als ein Brand, eine Versicherungsablehnung oder ein Strafverfahren.

Die Zukunft: Werden die Regeln gelockert?

Einige Experten sagen: Ja, die Regeln sind zu streng. Sie behindern den Markt, erhöhen die Kosten, machen Eigenleistung unmöglich. Die Kosten für eine einfache Steckdose, die ein Elektriker wechselt, liegen heute bei durchschnittlich 180 Euro - inklusive Anfahrt. Das ist teuer.

Aber: Die Technik wird komplexer. Smart Home, Photovoltaik, Wärmepumpen - all das braucht Fachwissen. Die VDE hat im März 2024 erstmals Steckdosen mit integrierter Fehlerstromschutzeinrichtung (FI) zertifiziert, die sicherer für Laien sind. Aber: Der Einbau in die Wand bleibt verboten. Die Grenze bleibt. Weil es um Sicherheit geht. Nicht um Komfort.

Prof. Dr. Andrea Klein vom WSIHM prognostiziert: „Die Nachfrage nach professionellen Elektroinstallateuren wird bis 2030 um 18 Prozent steigen.“ Warum? Weil wir immer mehr elektrische Geräte haben - und weil wir nicht mehr selbst an den Leitungen herumfummeln dürfen. Und das ist gut so.

Was du jetzt tun kannst

- Prüfe deine Steckdosen und Schalter: Sind sie alt, bröckelig, warm? Dann ruf einen Elektriker - nicht dich selbst.

- Halte dich an die Regeln: Wenn du nicht sicher bist, frage. Lieber einmal zu viel.

- Verstehe: Eigenleistung hat Grenzen - und das ist kein Mangel, sondern ein Schutz.

- Investiere in Sicherheit: Ein Elektriker kostet Geld. Ein Brand kostet alles.

Dein Zuhause ist dein sicherster Ort. Lass es nicht durch eine falsche Steckdose zur Gefahr werden.

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Felicitas Call

Felicitas Call

Ich bin Tischlerin in Graz und spezialisiere mich auf maßgefertigte Innenausbauten. Ich plane und fertige Möbel sowie Einbauten für Altbau- und Neubauprojekte. In meiner Freizeit schreibe ich Fachbeiträge zu Immobilientrends, Sanierung und nachhaltigen Materialien. Ich verbinde Handwerk, Design und Praxiswissen für Wohn- und Gewerbeobjekte.