Zwangsversteigerung: So kalkulieren Sie die Kosten für Ihre Immobilie als Schuldner

Wenn eine Immobilie zwangsversteigert wird, geht es nicht um einen normalen Verkauf. Es geht um eine gerichtliche Zwangsvollstreckung, bei der Ihr Haus oder Ihre Wohnung gegen Ihren Willen verkauft wird - meist weil Sie eine Schuldenlast nicht mehr tragen können. Die Bank oder ein anderer Gläubiger hat das Verfahren beim Amtsgericht angemeldet. Und jetzt? Sie stehen vor einer Frage, die Sie vielleicht noch nie gestellt haben: Wie viel bleibt mir eigentlich nach der Versteigerung? Die Antwort ist oft bitter. Nicht nur die Schulden bleiben, sondern oft auch eine neue, größere Restschuld.

Was kostet eine Zwangsversteigerung wirklich?

Die Kosten für eine Zwangsversteigerung werden nicht von Ihnen bezahlt - zumindest nicht direkt. Sie werden vom Erlös der Versteigerung abgezogen. Das klingt erst mal gut: Keine Vorauszahlung. Aber das ist eine Falle. Denn was bleibt, ist oft viel weniger als Sie denken. Die Kosten setzen sich aus mehreren Teilen zusammen.

Erstens: die Gerichtsgebühren. Sie werden nach dem Gerichtskostengesetz berechnet. Drei Gebühren fallen an: eine für den Antrag (0,5 Gebühr), eine für den Versteigerungstermin (0,5 Gebühr) und eine für den Zuschlag (0,5 Gebühr). Das macht zusammen 1,5 Gebühren. Bei einem Verkehrswert von 300.000 Euro ergibt das etwa 3.575 Euro. Bei 500.000 Euro sind es schon über 5.900 Euro. Diese Zahlen kommen nicht von irgendwo - sie sind gesetzlich festgelegt und gelten bundesweit.

Zweitens: das Gutachten. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger schätzt den Wert Ihrer Immobilie. Das kostet zwischen 1.000 und 2.500 Euro. Bei älteren Häusern, Denkmälern oder Grundstücken mit Altlasten kann es leicht auf 7.500 Euro steigen. Und hier haben Sie keinen Einfluss. Sie können nicht wählen, wer das Gutachten macht. Und Sie können nicht verhandeln. Der Gutachter berechnet seinen Preis nach festen Tarifen - und Sie zahlen mit Ihrem Anteil am Versteigerungserlös.

Drittens: die Veröffentlichungskosten. Die Versteigerung muss in Zeitungen und im Amtsblatt bekanntgemacht werden. Das kostet je nach Gericht zwischen 350 und 1.200 Euro. In München liegt es bei 350 Euro, in Frankfurt bei 1.200 Euro - je nach Immobilienwert und Region. Das ist nicht fair, aber es ist so.

Insgesamt liegen die Verfahrenskosten bei einem Haus mit 400.000 Euro Verkehrswert typischerweise zwischen 12.000 und 18.000 Euro. Das ist nicht nur eine Zahl. Das ist Ihr Geld - das wird einfach abgezogen, bevor Sie auch nur einen Cent sehen.

Was bleibt nach der Versteigerung?

Ein wichtiger Punkt: Der Versteigerungserlös ist selten der volle Verkehrswert. Die meisten Immobilien werden bei 80 bis 87 Prozent des Marktwerts versteigert. Die Postbank hat in ihrer Studie 2023 gezeigt, dass 85 Prozent der Durchschnittswert ist. Das bedeutet: Bei 400.000 Euro Verkehrswert bekommen Sie nur 340.000 Euro - wenn alles gut läuft.

Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Sie haben ein Haus mit einem Verkehrswert von 450.000 Euro. Ihre Schulden inklusive Zinsen und Mahngebühren betragen 420.000 Euro. Die Versteigerungskosten: 14.000 Euro (Gerichtsgebühren 4.800 Euro, Gutachten 7.200 Euro, Veröffentlichung 2.000 Euro). Der Erlös: 382.500 Euro (85 % von 450.000).

Rechnen Sie nach: 382.500 - 14.000 = 368.500 Euro. Ihre Schulden: 420.000 Euro. Das Ergebnis: Sie schulden noch 51.500 Euro. Sie haben Ihr Haus verloren - und haben immer noch Schulden. Das ist kein Einzelfall. Laut der Deutschen Grundstücks- und Hypotheken-Börse (DG Hyp) entsteht in 68,4 Prozent der Fälle eine Restschuld.

Ein Nutzer aus dem Forum immobilienscout24.de schreibt: „Mein Haus war mit 320.000 Euro bewertet. Der Verkauf brachte 285.000 Euro. Die Kosten: 14.500 Euro. Ich hatte 305.000 Euro Schulden. Nach der Versteigerung stand ich mit 34.500 Euro in der Kreide.“

Das ist nicht ungewöhnlich. Viele Schuldner glauben, dass mit dem Verkauf der Schuldenstand verschwindet. Aber das ist ein Irrtum. Die Schulden werden nicht gelöscht. Sie werden nur umverteilt - von der Bank auf Sie.

Warum ist das so unfair?

Die Kostenstruktur ist systematisch gegen Schuldner ausgelegt. Sie haben keinen Einfluss auf den Gutachter. Sie können nicht verhandeln, ob die Veröffentlichung in einer teuren Zeitung erfolgt. Sie können nicht verhindern, dass die Gerichtsgebühren auf den vollen Verkehrswert berechnet werden - auch wenn der tatsächliche Erlös deutlich niedriger ist.

Der Deutsche Anwaltverein warnt: „Gerichtsgutachter überschätzen oft den Wert. Das führt dazu, dass die Versteigerung mit zu hohen Erwartungen angesetzt wird - und dann nicht verkauft wird. Oder nur zu einem niedrigen Preis.“

Und wenn die Immobilie nicht verkauft wird? Dann wird sie neu bewertet. Und die Kosten für die neue Versteigerung? Auch die werden vom nächsten Erlös abgezogen. Es wird immer teurer - für Sie.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband sagt klar: „Die Kosten werden pauschal vom Erlös abgezogen - ohne Rücksicht auf die finanzielle Situation des Schuldners.“ Das ist kein Fehler. Das ist System.

Zerbrechliche Tafel mit Kosten der Zwangsversteigerung, abfließendes Geld von einem Haus.

Wie können Sie das vermeiden?

Es gibt einen Weg - aber nur, wenn Sie früh handeln. Bevor das Gericht das Verfahren einleitet, können Sie noch etwas tun.

Die Verbraucherzentrale empfiehlt: Holen Sie sich eine Schuldenberatung. Ein Termin mit einem Insolvenzberater kostet zwischen 150 und 300 Euro pro Stunde. Zwei Stunden - also etwa 400 Euro - können Ihnen 30.000, 50.000 oder sogar 100.000 Euro ersparen.

Warum? Weil es Alternativen gibt. Eine außergerichtliche Schuldenregulierung. Eine private Verkaufsoption. Ein Schuldnerberatungsverfahren. Die Daten des Bundesministeriums für Justiz zeigen: In 41 Prozent der Fälle ist eine außergerichtliche Lösung günstiger als die Zwangsversteigerung.

Ein Beispiel: Ein Ehepaar in Linz hatte Schulden von 280.000 Euro. Ihr Haus war mit 320.000 Euro bewertet. Sie dachten: „Wir verkaufen es zwangsweise und sind dann schuldenfrei.“ Sie sprachen mit einem Anwalt. Der zeigte ihnen: Wenn sie das Haus privat verkaufen, mit einem Käufer verhandeln, der sofort zahlt, dann bleiben ihnen nach Abzug von 15.000 Euro Kosten (Makler, Notar, Steuern) noch 125.000 Euro. Sie konnten die Schulden tilgen - und hatten noch 25.000 Euro für eine neue Wohnung.

Das ist kein Traum. Das ist Realität - für die, die rechtzeitig handeln.

Was passiert mit der Restschuld?

Wenn Sie nach der Versteigerung noch Schulden haben, bleibt die Forderung bestehen. Die Bank kann weiterhin Mahnungen verschicken, Lohnpfändungen beantragen, oder Sie zur Zahlung auffordern. In manchen Fällen kann die Restschuld sogar in eine Insolvenz führen - wenn Sie keine anderen Einkünfte haben.

Es gibt eine Ausnahme: Wenn Sie in der privaten Insolvenz sind und die Restschuldbefreiung erhalten, dann wird die Restschuld nach drei Jahren gelöscht. Aber das ist kein Automatismus. Sie müssen einen Antrag stellen. Und Sie müssen während dieser drei Jahre alles tun, was das Gesetz verlangt - Einkünfte melden, Lebensstil anpassen, keine neuen Kredite aufnehmen.

Die meisten Schuldner wissen das nicht. Sie denken: „Wenn das Haus verkauft ist, ist alles vorbei.“ Aber das ist falsch. Die Restschuld bleibt. Und sie kann Ihr Leben noch Jahre lang belasten.

Mensch am Abgrund, Haus löst sich auf, Pfad zur Schuldenberatung im Hintergrund.

Die Formel, die Sie kennen müssen

Wenn Sie vor einer Zwangsversteigerung stehen, rechnen Sie jetzt. Nutzen Sie diese einfache Formel:

(Verkehrswert × 0,85) - (Verfahrenskosten + 1.000 €) - Schuldenhöhe = Restschuld

Die 0,85 ist der durchschnittliche Versteigerungszuschlag. Die 1.000 Euro sind ein Puffer für unvorhergesehene Kosten. Die Verfahrenskosten berechnen Sie so: 1,5 Gebühren nach GKG (für 400.000 Euro etwa 5.500 Euro) + Gutachterkosten (schätzen Sie 5.000 Euro) = 10.500 Euro.

Beispiel: Verkehrswert 500.000 €, Schulden 480.000 €, Gutachter 3.500 €.

500.000 × 0,85 = 425.000

Gerichtsgebühren: 5.900 €

Gutachter: 3.500 €

Veröffentlichung: 1.000 €

Gesamtkosten: 10.400 €

425.000 - 10.400 = 414.600

414.600 - 480.000 = -65.400 € Restschuld

Das ist kein Fehler. Das ist die Realität.

Was können Sie jetzt tun?

Wenn Sie gerade eine Einladung vom Gericht bekommen haben - oder wenn Sie spüren, dass die Bank Ihnen droht - dann handeln Sie jetzt. Nicht morgen. Nicht nächste Woche. Jetzt.

1. Holen Sie sich eine kostenlose Beratung bei der Verbraucherzentrale. Die ist oft kostenlos oder kostet nur 10 Euro.

2. Sprechen Sie mit einem Anwalt, der auf Zwangsversteigerung spezialisiert ist. Viele Kanzleien bieten eine Erstberatung für 150 Euro an.

3. Rechnen Sie mit der Formel oben. Machen Sie eine konkrete Zahl. Schreiben Sie sie auf. Wenn die Restschuld über 20.000 Euro liegt, dann ist eine Zwangsversteigerung kein Ausweg - sie ist eine Falle.

Die meisten Menschen, die eine Zwangsversteigerung durchlaufen haben, sagen später: „Ich wusste nicht, wie viel es kostet. Ich dachte, ich wäre dann frei.“ Sie waren nicht dumm. Sie waren nur nicht informiert.

Sie sind jetzt informiert. Handeln Sie.

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Felicitas Call

Felicitas Call

Ich bin Tischlerin in Graz und spezialisiere mich auf maßgefertigte Innenausbauten. Ich plane und fertige Möbel sowie Einbauten für Altbau- und Neubauprojekte. In meiner Freizeit schreibe ich Fachbeiträge zu Immobilientrends, Sanierung und nachhaltigen Materialien. Ich verbinde Handwerk, Design und Praxiswissen für Wohn- und Gewerbeobjekte.