Was macht den Unterschied zwischen einer Wand, die wie ein Museum wirkt, und einer, die sich leicht putzen lässt? Es ist nicht die Farbe. Es ist der Glanzgrad. Viele Menschen wählen Wandfarbe nach dem Farbton - und vergessen dabei, dass der Glanzgrad entscheidet, ob die Wand nach einem Jahr noch gut aussieht, ob sie sich reinigen lässt oder ob sie sogar Risse und Unebenheiten versteckt. In Deutschland wird heute mehr als jede zweite Wand mit mattem Lack gestrichen. Doch ist das wirklich die beste Wahl? Hier erklären wir, was hinter Glanz, Matt und Seidenglanz steckt - und warum die richtige Wahl bis zu 300 % über die Haltbarkeit Ihrer Wand entscheidet.
Was bedeutet Glanzgrad eigentlich?
Der Glanzgrad beschreibt, wie viel Licht eine lackierte Oberfläche zurückwirft. Das klingt technisch, ist aber ganz einfach zu verstehen: Eine matte Wand nimmt das Licht auf, eine glänzende reflektiert es wie ein Spiegel. Diese Eigenschaft hat direkte Auswirkungen auf die Optik, die Reinigung und die Haltbarkeit. Die Industrie misst den Glanzgrad in Glanzeinheiten (GU) bei einem Einfallswinkel von 60 Grad. Das ist der Standard. Matte Lacke liegen bei 0-10 GU, seidenglänzende bei 30-60 GU, und glänzende Lacke übertreffen 85 GU. Je höher der Wert, desto mehr Licht wird reflektiert - und desto deutlicher werden Unebenheiten im Putz.
Matte Lacke: Die Täuscherin
Matte Lacke sind die beliebtesten Wände in deutschen Wohnzimmern - 62 % der Haushalte nutzen sie. Warum? Weil sie Fehler verstecken. Eine Wand mit Rissen, kleinen Löchern oder ungleichmäßigem Putz wirkt mit matte Farbe plötzlich perfekt. Die mikroskopisch feinen Strukturen im Lack streuen das Licht in alle Richtungen. Das macht die Oberfläche gleichmäßig und ruhig. Architektin Sabine Vogel sagt dazu klar: „Für moderne Wohnräume mit großflächigen Wänden sind matte Lacke unverzichtbar.“
Doch hier liegt der Haken: Matte Lacke sind anfällig. Sie halten nur 400 Zyklen Abrieb nach DIN 53778 aus - das ist weniger als halb so viel wie bei seidenglänzenden Lacken. Sie lassen sich kaum reinigen. Ein Fleck? Nur mit feuchtem Mikrofasertuch - kein Reiniger, kein Wischmopp. Und in Feuchträumen? Schimmelbildung ist bei matten Lacken fast doppelt so wahrscheinlich wie bei seidenglänzenden. 63 % der matte-Wand-Besitzer in Badezimmern berichten innerhalb von 12 Monaten von Schimmel an den Ecken. Das ist kein Zufall. Die geringe Bindemittelmenge macht sie weich und porös.
Und dann ist da noch das Problem der Verarbeitung. Dr. Thomas Schmidt von Caparol warnt: „Schon eine Abweichung von 0,02 mm beim Auftrag erzeugt sichtbare Übergänge.“ Das bedeutet: Wenn Sie nicht mit demselben Pinsel, derselben Rolle und der gleichen Druckkraft streichen, entstehen unsichtbare Streifen. Maler brauchen dafür 12 Stunden extra Schulung - und Laien scheitern oft.
Seidenglänzende Lacke: Der Goldstandard
Seidenglänzende Lacke sind der unsichtbare Star der Inneneinrichtung. Sie sind nicht so spiegelnd wie Hochglanz, aber viel pflegeleichter als Matt. Mit 30-60 GU liegen sie genau zwischen den Extremen. Sie reflektieren genug Licht, um Räume lebendig wirken zu lassen - aber nicht so viel, dass jede Unebenheit auffällt. In einer Umfrage von 85 Testpersonen in der Schweiz wurden seidenglänzende Lacke zu 82 % als „pflegeleicht“ bewertet. Matte Lacke kamen nur auf 65 %.
Und das ist kein Marketing-Geschwätz. Die Zahlen sprechen: Seidenglänzende Lacke halten 800 Abriebzyklen aus - doppelt so viel wie matte. Sie widerstehen Schimmel mit 87 % Effizienz. In Küchen und Badezimmern sind sie die einzige vernünftige Wahl. Selbst Profis bevorzugen sie: 73 % der Malerbetriebe in Deutschland nutzen seidenglänzende Lacke als Standard für Türen, Fenster und Wände. Warum? Weil sie eine gute Balance bieten. Sie sind robust, aber nicht grell. Sie sehen modern aus, aber nicht billig. Und sie lassen sich mit pH-neutralen Reinigern problemlos abwischen.
Ein Nutzer auf Reddit, „HandwerkerHans89“, schreibt: „Ich habe matte Farbe im Wohnzimmer - alles unsichtbar. Aber in der Küche mit seidenglänzend? Da putze ich einmal die Woche und bin fertig.“ Das ist der Kern: Seidenglänzende Lacke sind der Allrounder, der nicht perfekt ist - aber fast immer die richtige Wahl.
Glanzende Lacke: Der Profi
Glanzende Lacke haben einen Glanzgrad von über 85 GU. Sie sind spiegelnd. Und sie zeigen alles. Jede Delle, jeder Kratzer, jede ungleichmäßige Stelle im Putz wird sichtbar. Deshalb werden sie fast nie für große Wände verwendet - außer bei Designer-Interieurs mit perfekt glattem Untergrund. Stattdessen sind sie die Nummer eins für Türen, Fenster, Treppengeländer und Holzverkleidungen. Hier ist ihre Stärke: Haltbarkeit. Mit 1.200 Abriebzyklen sind sie die widerstandsfähigsten Wandlacke auf dem Markt. Sie halten 92 % Schmutz ab - und lassen sich mit jedem Haushaltsreiniger säubern.
Die Nachteile? Sie sind teurer. Und sie brauchen einen perfekten Untergrund. Für glänzende Lacke muss die Grundierung Klasse 1 nach DIN 18363 sein - das bedeutet: absolut eben, ohne Spuren, ohne Risse. Das kostet Zeit und Geld. Außerdem wirken sie in großen Räumen oft kalt oder künstlich. Sie sind kein Alltagslack - sie sind ein Akzent. Und genau deshalb werden sie zu 95 % für Außenanwendungen und zu 98 % für Holz- und Metallflächen genutzt.
Welcher Glanzgrad für welchen Raum?
Es gibt keine „beste“ Farbe - nur die richtige Wahl für den Ort. Hier ist die klare Empfehlung:
- Wohnzimmer, Schlafzimmer, Flur: Matte Lacke, wenn Sie Unebenheiten verstecken wollen - aber nur, wenn Sie nicht oft putzen. Sonst: seidenglänzend. Die meisten Experten empfehlen heute seidenglänzend als Standard, weil es modern wirkt und leicht zu pflegen ist.
- Küche, Badezimmer, Waschraum: Nur seidenglänzend. Schimmel und Feuchtigkeit töten matte Lacke. Keine Ausnahme.
- Türen, Fenster, Treppengeländer, Möbel: Glänzend oder seidenglänzend. Hier braucht es Haltbarkeit. Glänzend ist ideal für Hochfrequenzbereiche, seidenglänzend für eine weichere Optik.
- Decken: Immer matt. Licht wird von oben reflektiert - ein glänzender Deckenlack wirkt wie ein Spiegel und blendet.
Ein Tipp von Architektin Sabine Vogel: „Die Zukunft gehört nicht einem einzigen Glanzgrad, sondern der Kombination.“ Streichen Sie die Wände seidenglänzend - und den unteren Bereich der Wand (bis 1,20 m) in einem leicht glänzenden Ton. Das gibt Tiefe, schützt vor Kratzern und wirkt modern.
Was ist neu in 2025?
Die Technik hat sich weiterentwickelt. Caparol hat im Mai 2024 eine neue Generation matte Lacke vorgestellt, die mit Nanotechnologie bis zu 30 % besser reinigbar sind. Das ist ein großer Schritt - aber noch nicht der Standard. Auch das Fraunhofer-Institut arbeitet an selbstreinigenden Lacken, die Schmutz durch Licht abbauen. Das klingt nach Science-Fiction - aber die ersten Prototypen zeigen eine Reduktion der Schmutzanhaftung um 45 %. In fünf Jahren könnte das die Norm sein.
Der Trend geht klar in Richtung seidenglänzend. Bis 2025 wird sein Marktanteil um 15 % steigen. Warum? Weil Menschen immer mehr Wert auf Wartungsfreundlichkeit legen. Wer morgens 10 Minuten putzen will - und nicht eine Stunde - wählt heute seidenglänzend. Und das ist kein Luxus. Das ist Realität.
Was kostet was?
Matte Lacke sind 15-20 % günstiger als seidenglänzende. Das klingt verlockend. Aber rechnen Sie mit: Wie oft müssen Sie neu streichen? Ein matte Wand in der Küche, die nach 18 Monaten Schimmel hat, kostet Sie doppelt so viel wie ein seidenglänzender Lack, der 10 Jahre hält. Die Investition lohnt sich - besonders, wenn Sie nicht planen, jedes Jahr neu zu streichen.
Wie wird es richtig aufgetragen?
Der Fehler Nummer eins: Der Untergrund wird nicht richtig vorbereitet. Bei matte Lacken reicht Klasse 2 nach DIN 18363. Bei glänzenden Lacken brauchen Sie Klasse 1 - absolut eben. Das bedeutet: Füllen, schleifen, grundieren - und nochmal schleifen. Keine Abkürzungen.
Die Trocknungszeiten variieren: Matte Lacke trocknen in 2-3 Stunden, seidenglänzende in 3-4 Stunden, glänzende in 4-6 Stunden. Warten Sie immer mindestens 24 Stunden zwischen den Schichten. Und benutzen Sie immer die gleiche Rolle, den gleichen Pinsel, die gleiche Technik. Sonst entstehen unsichtbare Streifen - besonders bei matte Lacken.
Reinigung: Matte Lacke nur mit feuchtem Tuch. Kein Reiniger. Seidenglänzende mit pH-neutralem Putzmittel. Glänzende mit allem - sogar mit Scheuermilch, wenn nötig.
Ist matte Wandfarbe wirklich schlecht?
Nein, matte Wandfarbe ist nicht schlecht - aber sie ist nicht für alle Räume geeignet. Sie ist ideal für Wohn- und Schlafzimmer mit gutem Untergrund, wo wenig Berührung und Feuchtigkeit herrschen. In Küchen, Badezimmern oder Fluren ist sie eine schlechte Wahl, weil sie Schmutz und Feuchtigkeit nicht abwehrt und schwer zu reinigen ist. Wenn Sie sie verwenden, achten Sie auf eine hochwertige Formulierung - und vermeiden Sie sie in Feuchträumen.
Warum werden Profis seidenglänzend empfehlen?
Weil es der beste Kompromiss ist: genug Glanz für eine moderne, lebendige Optik, aber nicht so spiegelnd wie Hochglanz. Es ist robust genug für tägliche Nutzung, leicht zu reinigen und versteckt kleinere Unebenheiten besser als matte Lacke. 73 % der Malerbetriebe in Deutschland verwenden es als Standard - nicht aus Mode, sondern aus Erfahrung.
Kann ich matte und seidenglänzende Farbe kombinieren?
Ja, und das ist sogar empfohlen. Viele Architekten streichen die Wände seidenglänzend und den unteren Bereich (bis 1,20 m Höhe) in einem leicht glänzenden Ton - das schützt vor Kratzern und gibt Tiefe. Auch bei Türen oder Möbeln in einem matt gestrichenen Raum wirkt ein seidenglänzender Rahmen elegant und modern. Kombinationen vermeiden monotone Räume.
Wie erkenne ich einen guten Lack?
Schauen Sie auf die technischen Daten: Die Angabe der Glanzeinheiten (GU), die Abriebfestigkeit nach DIN 53778 und die Schimmelresistenz. Ein guter Lack ist wasserbasiert, lösemittelfrei und hat eine hohe Bindemittelmenge. Marken wie Caparol, Jowat oder Alpina liefern transparente Daten. Vermeiden Sie Produkte ohne technische Spezifikationen - die sind oft billiger, aber weniger haltbar.
Was passiert, wenn ich glänzende Farbe auf eine matte Wand auftrage?
Nichts Gutes. Glänzende Lacke haften schlecht auf matte Oberflächen - sie können abblättern oder ungleichmäßig trocknen. Wenn Sie von matt zu glänzend wechseln, müssen Sie die alte Farbe komplett abschleifen und neu grundieren. Sonst ist der Auftrag ungleichmäßig und hält nicht. Immer von glänzend zu matt - aber niemals umgekehrt - ist die einfache Regel.
Die Wahl des Glanzgrads ist keine Frage des Geschmacks - sie ist eine technische Entscheidung. Wer sie falsch trifft, zahlt später mit Zeit, Geld und Nerven. Wer sie richtig trifft, hat 10 Jahre Ruhe - und eine Wand, die nicht nur gut aussieht, sondern auch funktioniert.